Sport nach Long COVID zu machen, stellt für viele Betroffene eine echte Herausforderung dar. Tatsächlich leiden etwa 10-15% der COVID-19-Patienten auch Monate nach der Infektion noch unter anhaltenden Symptomen. Obwohl du dich vielleicht wieder fit genug fühlst, um mit dem Training zu beginnen, kann der Wiedereinstieg in den Sport mit Long COVID komplizierter sein, als du denkst.
In Deutschland gibt es allein schätzungsweise mindestens eine Million Long-COVID-Betroffene, die mit bis zu 200 verschiedenen Symptomen kämpfen können. Besonders häufig sind Erschöpfung und reduzierte Leistungsfähigkeit beim Sport. Wir haben deshalb Expertenrat eingeholt, wie du sicher wieder aktiv werden kannst und welche Rolle die Long COVID Physiotherapie dabei spielen kann. Schließlich ist es wichtig zu verstehen, dass Long COVID keine Einbildung ist, sondern eine anerkannte Erkrankung, die einen durchdachten Ansatz für die Rückkehr zum Sport erfordert.
Was Long COVID für sportlich aktive Menschen bedeutet
Als ehemals sportlich aktiver Mensch merkst du bei Long COVID schnell, dass dein Körper nicht mehr wie gewohnt funktioniert. Erschöpfungserscheinungen und ein Druckgefühl auf der Brust werden von den meisten Betroffenen geschildert. Alltägliche Belastungen fallen plötzlich schwerer, und die gewohnte sportliche Leistungsfähigkeit ist deutlich eingeschränkt.
Typische Symptome, die sportliche Aktivität einschränken
Die reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit äußert sich vor allem durch geringere Ausdauer und erhöhte Erschöpfung während und nach körperlicher Anstrengung. Besonders tückisch ist die sogenannte post-exertionale Malaise (PEM), eine Verschlechterung des Zustandes nach körperlicher oder geistiger Belastung. Diese kann mit zeitlicher Verzögerung eintreten – manchmal erst Stunden oder sogar Tage später. Ein solcher „Crash“ kann sich durch Tinnitus, Übelkeit, Schwindel, Muskel- und Hautschmerzen sowie grippeähnliche Symptome äußern.
Warum auch milde Verläufe zu Langzeitfolgen führen können
Bemerkenswert ist, dass Long COVID nicht nur nach schweren Verläufen auftritt, sondern auch nach milden COVID-19-Erkrankungen. Etwa sechs bis zehn Prozent der Betroffenen mit leichten Verläufen entwickeln später Long-COVID-Symptome. In einer Studie wiesen Patienten nach mildem Verlauf ein um etwa drei Prozent reduziertes Lungenvolumen und eine leicht verminderte Herzpumpkraft von einem bis zwei Prozent auf. Zudem zeigten sich zwei- bis dreimal häufiger Zeichen einer zurückliegenden Beinvenenthrombose.
Oft sind junge Menschen zwischen 20 und 50 Jahren ohne Vorerkrankungen betroffen. Auffällig ist außerdem, dass Frauen mehr als doppelt so häufig an Long COVID erkranken als Männer.
Unterschied zwischen Long COVID und Post-COVID
Die Begriffe werden häufig vermischt, bezeichnen jedoch unterschiedliche Zeitfenster: Long COVID umfasst laut Definition gesundheitliche Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen. Von einem Post-COVID-Syndrom sprechen Experten hingegen, wenn Symptome noch drei Monate nach der Erstinfektion für mindestens weitere zwei Monate anhalten.
Insgesamt können Studien zufolge etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Corona-Infizierten an Long COVID erkranken. Auch wenn die Stärke der Symptome in der Regel mit der Zeit abnimmt, kann die Überschätzung mit einer unmittelbaren Rückkehr in den Sport nach einer überstandenen Corona-Infektion eine große Gefahr darstellen.
Risiken beim Wiedereinstieg in den Sport
Der Wiedereinstieg in sportliche Aktivitäten nach einer COVID-19-Erkrankung birgt verschiedene Risiken, die du unbedingt beachten solltest. Experten warnen eindringlich davor, sich nach überstandener Infektion zu früh zu belasten.
Belastungsintoleranz und post-exertionale Malaise (PEM)
PEM ist ein Kernsymptom bei Long COVID und äußert sich als Verschlechterung der Symptome nach minimaler körperlicher oder geistiger Anstrengung. Diese Verschlimmerung tritt typischerweise 12-48 Stunden nach der auslösenden Aktivität auf, kann allerdings auch verzögert bis zu 7 Tagen später einsetzen. Besonders tückisch: Die Symptome stehen in keinem Verhältnis zur Belastung und können tagelang oder sogar wochenlang anhalten. Alltägliche Aktivitäten wie Einkaufen oder sogar Duschen können bereits einen „Crash“ auslösen.
Außerdem zeigen viele Betroffene eine stark beschleunigte, zu tiefe Atmung (Hyperventilation), die laut einer Studie der Berliner Charité weitere Long-COVID-Symptome wie Atemnot, Husten oder Müdigkeit verursachen könnte.
Herz-Kreislauf-Belastungen und Atemprobleme
Eine besonders gefährliche Komplikation ist die Herzmuskelentzündung (Myokarditis). Sportlerinnen und Sportler, die eine COVID-19-Erkrankung durchgemacht haben, drohen möglicherweise ernste Herz-Kreislauf-Komplikationen, wenn sie zu früh wieder mit dem Training beginnen. Warnsignale sind Herzrasen, Herzstolpern, Brustschmerzen oder ein unregelmäßiger Puls.
Darüber hinaus berichten viele Long-COVID-Patienten über ein Engegefühl in der Brust und anhaltende Atembeschwerden. Bei manchen scheint das Zwerchfell „aus dem Takt“ zu sein, wodurch die gesamte Atembewegung gestört ist. Atemnot, die bereits bei geringen Belastungen auftritt, sollte ärztlich abgeklärt werden.
Psychische Belastungen durch Rückschläge
Neben den körperlichen Einschränkungen kommen erhebliche psychische Belastungen. Viele Betroffene entwickeln Depressionen, Angstzustände oder Schlafstörungen. Der typische „Push-and-Crash“-Zyklus, bei dem du an „guten Tagen“ zu viel machst und danach einen Rückfall erleidest, kann dich in einen Teufelskreis führen.
„Jeder Einbruch ist ein Rückschlag – sowohl für den Körper als auch für die Psyche“, erklären Experten. Manche Betroffene sind nach solchen Rückschlägen manchmal so außer Gefecht gesetzt, dass sie kaum mehr stehen können. Dadurch verstärken sich Gefühle der Hoffnungslosigkeit und des Ausgeliefertseins.
Empfehlungen für den sicheren Wiedereinstieg
Nach überstandener Corona-Infektion benötigst du eine durchdachte Strategie, um wieder mit dem Sport zu beginnen. Die folgenden Empfehlungen helfen dir, sicher in den aktiven Alltag zurückzukehren.
1. Ärztliche Abklärung vor Trainingsbeginn
Bevor du mit körperlichem Training startest, ist eine medizinische Untersuchung unerlässlich. Bei fehlenden oder milden Symptomen ist meist keine umfangreiche Diagnostik nötig, bei moderaten oder schweren Verläufen hingegen schon. Besonders wichtig sind kardiologische und pulmologische Checks. Die Untersuchung sollte ein Ruhe-EKG, Entzündungsparameter und ggf. eine Echokardiographie umfassen. Diese Vorsichtsmaßnahme ist entscheidend, um mögliche Herzmuskelentzündungen oder Lungenschäden frühzeitig zu erkennen.
2. Pacing: Belastung dosieren und dokumentieren
Pacing ist eine wirksame Methode, um deine Energiereserven bei Long COVID besser zu regulieren. Hierbei lernst du, schonend mit deinen Energieressourcen umzugehen und Überlastungen vorzubeugen. Wichtig dabei: Plane regelmäßige Pausen ein, bevor die Symptome beginnen. Führe ein Tagebuch über deine Aktivitäten und Symptome, um deine persönlichen Grenzen besser kennenzulernen. Jeder Tätigkeit kann ein individueller Punktwert zugeordnet werden – am Tagesende sollten stets Kraftpunkte übrig bleiben.
3. Atemübungen zur Verbesserung der Lungenfunktion
Die Atemtherapie ist ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Genesung. Verschiedene Techniken können helfen: Die Lippenbremse erweitert die Atemwege und kann bei Luftnot Erleichterung verschaffen. Das „schnüffelnde Einatmen“ dient zur Kräftigung des Zwerchfells. Außerdem unterstützen Dehnlagerungen, die verkürzte Muskeln länger und das Lungengewebe dehnfähiger machen. Diese Übungen solltest du mehrmals täglich durchführen.
4. Leichtes Ausdauertraining mit Pulskontrolle
Beginne zunächst mit leichten Einheiten von 5-10 Minuten Dauer. Die Intensität sollte moderat sein – du solltest dich während des Trainings noch normal unterhalten können. Wissenschaftliche Studien belegen, dass ein kombiniertes Ausdauer- und Krafttraining am effektivsten bei Long COVID wirkt. Achte auf deine Herzfrequenz: Als Richtwert gilt die Formel (220 – Lebensalter) x 0,6. Wichtig: Steigere die Intensität nur langsam über einen Zeitraum von 4-8 Wochen.
5. Krafttraining mit Fokus auf Stabilität
Krafttraining sollte mit milder bis moderater Intensität beginnen – ohne vollständige Muskelermüdung anzustreben. Studien zeigen, dass sich die Muskelkraft des unteren Bewegungsapparates durch gezieltes Training zwischen 14,5% und 32,6% steigern kann. Integriere etwa 8 verschiedene Übungen, die die großen Muskelgruppen einbeziehen. Die Wiederholungszahl sollte zwischen 8 und 15 pro Übung liegen. Bei Auftreten von PEM pausiere das Training für einige Tage.
6. Koordination und Gleichgewicht langsam aufbauen
Nach einer COVID-Infektion können auch Gleichgewichtsprobleme auftreten. Mit gezielten Tests wie dem Tandem-Stand oder Sit-to-Stand kannst du zunächst deinen persönlichen Ist-Stand analysieren. Danach folgen funktionelle Übungen, die Rumpf- und Beinmuskulatur sowie den Gleichgewichtssinn stärken. Wichtig ist, dass du dir Zeit lässt und dich nicht unter Druck setzt. Ein langsamer Wiedereinstieg über fünf Tage ist empfehlenswert: Beginne mit nicht kreislaufbelastenden Aktivitäten wie Dehnungs- und Koordinationsübungen, bevor du die Intensität allmählich steigerst.
Wie Physiotherapie beim Wiedereinstieg unterstützt
Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Rehabilitation von Long-COVID-Patienten. Je nach individueller Symptomatik und Krankheitsverlauf kannst du von verschiedenen physiotherapeutischen Ansätzen profitieren.
Individuelle Trainingspläne und Zielsetzung
Zu Beginn der physiotherapeutischen Behandlung wird ein ausführliches Gespräch geführt, um deine Beschwerden, Krankengeschichte und Hauptprobleme zu erfassen. Da jeder Long-COVID-Verlauf einzigartig ist, entwickelt der Therapeut anschließend einen maßgeschneiderten Trainingsplan. Dieser berücksichtigt deine persönlichen Belastungsgrenzen, besonders wichtig bei vorliegender Belastungsintoleranz. Die Ziele werden gemeinsam festgelegt – vom Wiedereinstieg in den Beruf bis zur Verbesserung der Alltagsbewältigung.
Atemtherapie und Mobilisation
Bei anhaltenden Atemproblemen oder eingeschränkter Lungenfunktion kommt die Atemtherapie zum Einsatz. Dabei führt der Therapeut gezielte Griffe durch, um deine Atemwahrnehmung zu fördern, das Zwerchfell zu entspannen oder die Rippen zu mobilisieren. Du erlernst verschiedene Techniken wie die Lippenbremse, das Zwerchfelltraining oder atemerleichternde Körperhaltungen (Kutschersitz, Torwartstellung). Diese Übungen kannst du anschließend selbstständig zu Hause fortführen.
Fatigue-Management und Energiehaushalt
Beim Fatigue-Management hilft dir der Physiotherapeut, deine Energiereserven sinnvoll einzuteilen. Die sogenannte Pacing-Methode ist dabei zentral – du lernst, Aktivitäten stets unterhalb deiner Belastungsgrenze auszuführen. Durch regelmäßige Dokumentation in Symptomtagebüchern gewinnst du ein besseres Verständnis für deine persönlichen Grenzen. Ziel ist, Überanstrengungen zu vermeiden und langfristig deinen Gesundheitszustand zu stabilisieren.
Langfristige Begleitung und Motivation
Die langfristige Begleitung durch Physiotherapeuten bietet nicht nur fachliche Unterstützung, sondern auch emotionalen Rückhalt. Da der Genesungsprozess bei Long COVID oft von Rückschlägen geprägt ist, profitierst du von regelmäßigen Therapiesitzungen, bei denen Fortschritte dokumentiert und Übungen angepasst werden können. Physiotherapeuten helfen dir außerdem dabei, realistische Erwartungen zu entwickeln und kleine Erfolge zu würdigen – ein wichtiger Faktor für deine Motivation auf dem Weg zurück zum aktiven Leben.
Fazit
Insgesamt zeigt sich deutlich, dass der Weg zurück in den Sport nach Long COVID eine Reise ist, die Geduld und Achtsamkeit erfordert. Tatsächlich ist ein schrittweiser, gut durchdachter Ansatz der Schlüssel zum Erfolg. Du solltest vor allem auf deinen Körper hören und jegliche Warnsignale ernst nehmen – besonders wenn es um post-exertionale Malaise geht.
Zunächst ist die ärztliche Abklärung unerlässlich, bevor du überhaupt mit dem Training beginnst. Danach hilft dir das Pacing-Konzept dabei, deine Energiereserven sinnvoll einzuteilen und Überbelastungen zu vermeiden. Darüber hinaus können gezielte Atemübungen und ein langsam aufbauendes Kraft- und Ausdauertraining deine Genesung unterstützen.
Denke daran, dass Rückschläge zum Heilungsprozess gehören können. Daher ist es wichtig, realistische Erwartungen zu setzen und kleine Erfolge zu würdigen. Die Unterstützung durch professionelle Physiotherapeuten kann dabei einen entscheidenden Unterschied machen.
Obwohl der Weg zur vollständigen sportlichen Leistungsfähigkeit länger dauern mag als erhofft, zeigen Erfahrungsberichte und Studien, dass eine Rückkehr zum aktiven Leben durchaus möglich ist. Letztendlich geht es nicht darum, so schnell wie möglich wieder dein altes Leistungsniveau zu erreichen, sondern nachhaltig und sicher zu genesen. Mit der richtigen Herangehensweise und professioneller Begleitung kannst du Schritt für Schritt zu einem aktiven Lebensstil zurückfinden – selbst nach Long COVID.
—
FAQs
Wann kann ich nach einer COVID-19-Infektion wieder mit dem Sport beginnen?
Bei milden Verläufen kannst du in der Regel nach vollständiger Genesung langsam wieder einsteigen. Bei moderaten oder schweren Verläufen ist jedoch eine ärztliche Untersuchung vor Trainingsbeginn unbedingt erforderlich.
Ist Ausdauertraining bei Long COVID empfehlenswert?
Ja, leichtes Ausdauertraining kann Teil der Rehabilitation sein. Beginne mit kurzen Einheiten von 5-10 Minuten bei moderater Intensität und steigere langsam unter Beachtung deiner individuellen Belastungsgrenze.
Wie gehe ich mit Erschöpfung beim Wiedereinstieg in den Sport um?
Wende die Pacing-Methode an: Plane regelmäßige Pausen ein, bevor Erschöpfungssymptome auftreten. Führe ein Aktivitätentagebuch, um deine persönlichen Grenzen kennenzulernen und Überanstrengung zu vermeiden.
Welche Rolle spielt Physiotherapie bei der Rehabilitation nach Long COVID?
Physiotherapie ist zentral für die Rehabilitation. Sie bietet individuelle Trainingspläne, Atemtherapie, Fatigue-Management und langfristige Begleitung. Dies unterstützt dich dabei, schrittweise und sicher zu einem aktiven Lebensstil zurückzukehren.
Wie kann ich meine Lungenfunktion nach COVID-19 verbessern?
Regelmäßige Atemübungen können helfen, die Lungenfunktion zu verbessern. Techniken wie die Lippenbremse, „schnüffelndes Einatmen“ zur Zwerchfellkräftigung und Dehnlagerungen sind effektiv. Führe diese Übungen mehrmals täglich durch.